Jungmänner
Jungmänner. Oberleutnant Günther Rall im Zweiten Weltkrieg…
Flugplatz Landshut-Ellermühle, ein Sonntagabend im Frühherbst. Das Sonnenlicht wandelt sich schon zu sanftem Ocker, die Schatten werden länger, ein seidiges Lüftchen weht übers Vorfeld. Aus dem Hangar des Fliegerclubs schlendern zwei Männer in lebhafter Unterhaltung zu der elfenbeinfarbenen Bücker 131. Der ältere der beiden schwingt sich auf die untere Tragfläche des Doppeldeckers und über die Bordwand in dessen vorderes Cockpit. Seine Bewegungen wirken routiniert und sportlich. Jeder Griff sitzt. Er fliegt den munteren Vogel offensichtlich nicht zum ersten Mal.
Das nicht – aber die Tage, an denen er beruflich mit dem agilen ’Jungmann’ über Oberbayern herumtobte, sind exakt 70 Jahre her. Am 29. August 1938 war er auf die Bücker eingewiesen worden und hatte gleich danach seinen ersten Alleinflug mit ihr. Als Start- und Zielort steht der Fliegerhorst Neubiberg in seinem Flugbuch, und ganz vorne in der Spalte ’Führer’: Oberfähnrich Rall.
Die Laufbahn, die da so harmlos auf einer A/B-Fliegerschule der Deutschen Luftwaffe begann, zählt heute zu den bemerkenswertesten in der Geschichte der Luftfahrt. Günther Rall wurde Jagdflieger, schoß im Zweiten Weltkrieg 275 Gegner ab und wurde selbst achtmal unfreiwillig vom Himmel geholt. Eine mehrfach gebrochene Wirbelsäule und der Verlust des linken Daumens hielten ihn jedoch nicht davon ab, an die Front
…und im Herbst 2008 nach einem Ausflug mit der Bü 131 Jungmann.
zurückzukehren und die ihm anvertrauten Soldaten bis zur Kapitulation zu führen. 1956 trat er in die Bundeswehr ein und machte den ’Starfighter’ truppentauglich; ihn flog er noch 1975, als er längst Drei-Sterne-General war und Deutschland in den Führungsgremien der NATO vertrat.
Aber die Bücker – das ist für den mittlerweile 90jährigen das Wiedersehen mit einer Jugendliebe, die in all der Zeit nichts von ihrer Anmut verloren hat. Er sitzt im Cockpit und nimmt einen tiefen Atemzug, denn Flugzeuge duften so unverwechselbar wie Frauen. Noch einmal rückt er sich auf dem Fallschirm zurecht, zieht die Gurte stramm und schließt die Einstiegsklappe. Es kann losgehen. Günther Rall hat schon lange keinen gültigen Pilotenschein mehr, und daher nimmt hinter ihm Markus Gilch, der Besitzer des Jungmanns Platz. Keine fünf Minuten später sind die beiden in der Luft und verlassen die Landshuter Platzrunde nach Süden, Richtung Chiemsee. Es dauert eine gute halbe Stunde, bis man das charakteristische Nageln des Vierzylinders wieder hört.
Und – wie war’s? Günther Rall strahlt. „Wahnsinnig langsam, wenn man zuletzt die F-104 geflogen ist. Das hat mich völlig überrascht, denn der ’Jungmann’ war damals für uns der Inbegriff des Sport- und Kunstflugzeugs. Aber wenn man ihn so nimmt, wie er ist – dann macht’s immer noch einen Mordsspaß. Fliegen pur!“